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Cold Exposure: Fördert eine kalte Dusche wirklich deine Gesundheit?

Cold Exposure: Fördert eine kalte Dusche wirklich deine Gesundheit?

Die kalte Dusche gehört zu den Standard-Tipps der Biohacker. Unzählige positive Eigenschaften werden der kalten Dusche und Eisbädern zugeschrieben. Doch wie viel wissenschaftlicher Konsens steckt hinter dieser Aussage? Während Longevity-Podcast-Guru Andre Huberman jede Studie aus dem Hut zieht, um „Cold Exposure“ zu befürworten, verzichtet unser Longevity-Versuchskaninchen Bryan Johnson auf die unangenehme kalte Dusche. Tauchen wir tiefer ein in das Phänomen der Kälteexposition.

Meine Erfahrung mit der kalten Dusche

Bevor es wissenschaftlich(er) wird, möchte ich meine eigene Erfahrung teilen. Ich bin definitiv ein Warmduscher. Ich liebe es, warm zu duschen. Selbst nach der Sauna bevorzuge ich in der Regel eine etwas wärmere Dusche, auch wenn ich mich gerade an heißen Tagen unter die eiskalte Sauna-Dusche stelle. Doch ich hasse es jedes Mal. Ich finde an einer kalten Dusche absolut nichts schön. Weder vor dem Duschen, während der Dusche noch nach der kalten Dusche. Es ist alles unangenehm. Aber was tut man nicht alles für die eigene Gesundheit? Nachdem ich vor 3 Jahren Wim Hoff gelesen habe, habe ich die tägliche kalte Dusche sogar für einige Wochen zu meinem morgendlichen Ritual gemacht. Das Resultat? Ich hatte absolut keine Lust zu duschen. Ich habe schon am Abend daran gedacht, dass ich morgen unter die kalte Dusche springen muss. Meist habe ich erst warm geduscht und im Anschluss 1 bis 1,5 Minuten eiskalt geduscht. Die positiven Effekte waren für mich nicht spürbar. Mit der Ausnahme, dass ich nach der Dusche wirklich wach war. Und die Nachbarn auch. Ich habe nach wenigen Wochen das Experiment abgebrochen und bin wieder Warmduscher. Doch auf welche positiven Effekte verzichte ich jetzt?

Eine junge Frau befindet sich in der Dusche. Die Dusche hat blaue Fliesen

Was versteht man unter Kälteexposition?

Unter Kälteexposition versteht man den bewussten Kontakt mit kalter Umgebung oder kaltem Wasser. Dazu gehören kalte Duschen, Kaltwassertauchen, Eisbaden oder Winterschwimmen. Wenn der Körper Kälte ausgesetzt wird, aktiviert sich das sympathische Nervensystem. Das führt zur Freisetzung von Neurotransmittern wie Noradrenalin und Dopamin.

Ein Mann sitzt in einer Tonne draußen und nimmt ein Eisbad. AI Generated Content

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Was sagt die Wissenschaft über die positiven Effekte der „kalten Dusche“?

Für diesen Beitrag habe ich unglaublich viele Websites durchforstet, um alle Primärquellen zu kennen, die diese Artikel verwenden. Zudem habe ich Examine und PubMed durchsucht, um die neuesten Erkenntnisse zur Kältetherapie zu kennen. Die meisten Artikel verwenden dieselben 3–5 Quellen. Lustigerweise kommen die Autoren jedoch zu unterschiedlichen Ergebnissen. Die Ergebnisse werden also unterschiedlich interpretiert. Angesichts dessen habe ich mir auch die Primärquellen angeschaut, also die wissenschaftlichen Studien. Am Ende des Artikels findest du alle relevanten Quellen. Aber was sagt nun die Wissenschaft? Kurz gesagt, ist sich die Wissenschaft aktuell nicht einig. Einige Studien sehen positive, signifikante Einflüsse von kaltem Wasser auf unsere Gesundheit. Einige Studien gehen davon aus, dass die Effekte aktuell nicht stark genug sind und weitere Forschungen benötigt werden. Hier möchte ich Briganti et Al. (2023) zitieren: „Während Athleten und körperlich aktive Menschen das Eintauchen in kaltes Wasser häufig als Teil ihrer Erholungsroutinen übernommen haben, sind die potenziellen Auswirkungen auf Nichtsportler unklar, und die vorhandene Literatur enthält widersprüchliche Ergebnisse und in einigen Fällen nicht schlüssige Erkenntnisse.“ Im Folgenden schauen wir uns die Ergebnisse einmal genauer an.

Eine Hand, die einen Eiswürfel in der Hand hält

Einfluss auf Erholung und Muskelwachstum

Wenn ein Sportler das Ziel verfolgt, eine möglichst schnelle Regeneration zu erzielen, dann könnte ein Bad in der Eistonne die richtige Maßnahme sein. Hat etwa ein Fußballer am Samstag ein Ligaspiel und bereits am Dienstag ein Champions League Spiel, möchte er so schnell wie möglich maximale Erholung erzielen. Besteht das Hauptziel jedoch darin, maximales Muskelwachstum zu erzielen, dann sollte man auf Kälteexposition nach der Sporteinheit verzichten.

Examine schreibt dazu: „Eine kürzlich durchgeführte Meta-Analyse zum Thema Kaltwasserimmersion und Erholung nach dem Training stellte fest, dass Kaltwasserimmersion die Erholung nach Ausdauertraining verbessert, indem sie die kardiovaskuläre und thermische Belastung verringert, das wahrgenommene Ermüdungsgefühl mindert und die wahrgenommenen Schmerzen reduziert. Am effektivsten ist es innerhalb einer Stunde nach dem Training und wenn das erste Ausdauertraining bei Hitze durchgeführt wurde.“

Verschiedene Studien haben den Effekt von Kälte und Atemtechniken untersucht und dabei festgestellt, dass Kälte allein keinen signifikanten Einfluss auf unseren Körper hat. Kälte in Kombination mit Atemübungen allerdings schon.

Eine letzte Studie, die ich hier erwähnen möchte, konnte feststellen, dass Kälteexposition für eine bessere Erholung sorgen kann, als passive Erholung (auf dem Sofa liegen). Dafür ist eine Wassertemperatur von 11 bis 15 Grad bei einer Dauer von 11 bis 15 Minuten notwendig.

Junger Mann, durchtrainiert unter der Außendusche

Einfluss auf die Fettverbrennung

In einer recht aktuellen Studie aus dem Jahr 2023 konnte das Hüft- und Bauchfett von Soldaten innerhalb von 8 Wochen signifikant reduziert werden. In einer weiteren Studie aus dem Jahr 2024 wurde die Aktivierung des braunen Fettgewebes, der erhöhte Energieverbrauch und die Ausschüttung von Wachstumsfaktoren untersucht. Eine der Ergebnisse ist, dass der Zeitpunkt der Kälteexposition (morgens oder abends) einen Einfluss auf die Wachstumsfaktoren haben kann. Allerdings setzten sich die Probanden der Kälte 90 Minuten am Tag aus, was im Alltag einfach kaum vorkommt.

Einfluss auf unsere Stimmung, Angstzustände und Depressionen

Die Kälteexposition konnte zwar zur Reduzierung von Körperfett beitragen, allerdings hatte es keinen messbaren Einfluss auf deren Lebenszufriedenheit. Eine Metastudie aus dem Jahr 2023 kam ebenfalls zu dem Ergebnis, dass keine signifikanten Unterschiede in der Stimmung messbar waren. Nikolai Shevchuk untersuchte die kalte Dusche als mögliche Behandlung von Depressionen im Jahr 2008. Um die Hypothese zu testen, wurde eine Behandlung von Depressionen mit kalten Duschen vorgeschlagen (20 °C, 2–3 Minuten, vorher 5 Minuten schrittweise Anpassung). Diese Duschen sollen ein- oder zweimal täglich über mehrere Wochen bis Monate durchgeführt werden. Kälte aktiviert das sympathische Nervensystem, erhöht Beta-Endorphin und Noradrenalin im Blut und steigert die Freisetzung von Noradrenalin im Gehirn. Kalte Duschen senden viele elektrische Impulse an das Gehirn, was eine antidepressive Wirkung haben kann. Erste Tests an wenigen Personen zeigen, dass kalte Duschen depressive Symptome lindern können. Die Therapie hat auch schmerzlindernde Effekte und keine bedeutenden Nebenwirkungen. Um die Hypothese zu bestätigen, sind jedoch größere und strengere Studien nötig.

Eine Studie aus dem Jahr 2021 mit 64 Teilnehmern (Studierenden) führte zu dem Ergebnis, dass diese sich vitaler und wertgeschätzter fühlten. Außerdem reduzierte sich ihr wahrgenommenes Gefühl der Anspannung, Wut, Depression, Müdigkeit und Verwirrung.

Laut Cambridge Core werden Kaltwasserbäder immer häufiger als ergänzendes Verfahren bei klinischen Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen eingesetzt. Wir sehen hier, dass sich die Wissenschaft noch bisher nicht einig ist, die Kältetherapie ergänzend genutzt wird. Nach dem Motto: Schaden kann es nicht, im besten Fall hilft es.

Ein Kind, um die 5, läuft voller Freude an einem Rasensprenkler vorbei

Einfluss auf unsere Resistenz gegenüber Krankheiten

Einige Studien haben sich tiefergehend mit Winterschwimmern beschäftigt. Dies sind primär Skandinavier:innen, die in den kalten Wintermonaten in Flüssen und Seen schwimmen gehen. Die Forschung zeigt eine Tendenz zu verschiedenen positiven gesundheitlichen Effekten. Allerdings ist bisher nicht geklärt, ob Winterschwimmer generell gesünder leben.

Eine Studie aus dem Jahr 2016 untersuchte 3.000 Teilnehmer über 3 Monate hinweg. Sie mussten 30, 60 oder 90 Sekunden kalt duschen. Die Teilnehmer konnten zwar ihre selbstberichteten Fehlzeiten reduzieren, allerdings konnte die Anzahl der Krankheitstage nicht signifikant reduziert werden. Für mich ist diese Studie auch fragwürdig, weil die Krankheitstage auf der Arbeit weitere Einflussfaktoren haben. Viele Menschen vermeiden es, sich krankzumelden und versuchen alles, um bei der Arbeit zu sein.

Einfluss auf Müdigkeit und Erschöpfung

Der Einfluss von kalten Bädern auf unsere Müdigkeit und Erschöpfung ist ebenfalls nicht abschließend geklärt, da unterschiedliche Studien zu verschiedenen Ergebnissen kommen. In meinem Selbstexperiment war dies der einzig wahrnehmbare Effekt für mich. Ich habe mich nach 30 bis 90 Sekunden unter der kalten Dusche sehr wach gefühlt.

Ein junges Paar liegt im Bett und hat einen erholsamen Schlaf

Mein Kritikpunkt: Die Dauer der Kälteexposition

Der kurzzeitige Effekt von Eisbädern und kalten Duschen ist nicht von der Hand zu weisen. Das Eintauchen in kaltes Wasser löst anscheinend so viele körperliche Reaktionen aus, dass Wissenschaftler:innen diverse körperliche Reaktionen messen: Herzfrequenz, Herzfrequenzvariabilität, Ausschüttung von Hormone etc.

Ähnlich wie bei meinem Artikel zur Rotlichttherapie lautet meine Einschätzung der Ergebnisse: Kalte Duschen können nicht schaden, aber ob sie wirklich helfen, kann man bislang nicht mit Sicherheit bestätigen. Wobei kalte Duschen in meinen Augen „gefährlicher“ sind als Rotlichttherapie, denn sehr kaltes Wasser, hauptsächlich Eisbaden kann zu einer Schockreaktion des Körpers führen.

Auch ähnlich zur Forschung zum Rotlicht sind die experimentellen Umgebungen. In manchen Studien werden Probanden der Kälte 30 Sekunden, in anderen 90 Minuten ausgesetzt. Auch die Wassertemperatur unterscheidet sich. Aber vor allem die Dauer ist mir ein Dorn im Auge. Ich gehe stark davon aus, dass sich die Mehrheit der Bevölkerung nicht täglich oder mehrmals wöchentlich für über 10 Minuten ins kalte Wasser setzt. Wenn wir vor wirklich kalten Duschen (< 18 Grad ausgehen), dann wird man sich wohl eher 30 Sekunden bis 3 Minuten unter die Dusche stellen. Auch ein Bad in der Eistonne wird nur 2–3 Minuten andauern. Als Schwimmer setzt man sich eventuell für längere Zeit einer geringeren Temperatur im Becken aus. Hier beträgt die Temperatur im Schnitt 25 – 28 Grad, aber nicht 20 Grad und weniger. Angesichts dessen stellt sich mir die Frage, welche Effekte die Kälteexpositionen haben, die Influencer wie Andrew Huberman haben. Also die tägliche kurze kalte Dusche, kaltes Wasser im Nacken oder Eisbäder.

Mein Fazit: Probiere es selbst aus!

Wie bereits zu Beginn ausführlich beschrieben, konnte ich keinen Effekt bei meinem Selbstexperiment spüren, mit Ausnahme der Kurzzeiteffekte 1–3 Minuten nach der Dusche und einem stärkeren Wachgefühl. Die Studienlage ist noch uneindeutig, aber es gibt bereits einige Hinweise darauf, dass Kälteexposition positive Effekte auf unsere Gesundheit (mental und physisch) haben kann. Meine Einschätzung nach der tiefergehenden Recherche lautet: Probiere es selbst aus. Stell dich 2–4 Wochen unter die kalte Dusche oder gehe in die Eistonne. Beobachte die Effekte, die für dich wichtig sind. Merkst du einen positiven Effekt, behalte es gerne bei.

Ich werde auch nach dieser Recherche ein Warmduscher bleiben, der gelegentlich mal nach der Sauna unter die kalte Dusche hüpft.

Quellen

https://link.springer.com/article/10.1007/s40279-022-01644-9 (2022)
https://link.springer.com/article/10.1007/s40279-015-0431-7 (2016)
https://www.nike.com/de/a/eisbad-regeneration (2024)
https://medizin-transparent.at/kalt-duschen/
https://medizin-transparent.at/eisbaden-gesund/ (2024)
https://www.cerascreen.de/blogs/gesundheitsportal/kalt-duschen-wechselduschee
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5025014/ (2016)
https://www.researchgate.net/publication/5854059_Adapted_cold_shower_as_a_potential_treatment_for_depression (2008)
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/lim2.53 (2021)
https://www.cambridge.org/core/journals/bjpsych-advances/article/abs/beyond-the-cold-baths-contemporary-applications-of-coldwater-immersion-in-the-treatment-of-clinical-depression-and-anxiety/F285E3B83C4D0E43D10883021BCDD55F
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/19357405/ (2009)
https://bjsm.bmj.com/content/44/3/179 (2009)
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5350472/ (2017)
https://link.springer.com/article/10.1007/s12144-022-03739-y (2022)
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/15253480/ (2004)
https://clinicaltrials.gov/study/NCT04528485 (2021)
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2938508/ (2010)

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